Postkartenmalereien
Serie Acryl auf Papier/Karton, 2001-2016 15x10 cm (Passepartouts: 24x18 cm) Übersicht mit Tekst und Bilder Gian Merlevede |
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Bildserie Postkartenmalereien / Postcard paintings
Gian Michael Merlevede (sprich aus: Mèr-le-vé-de), 1973 in Soest (Westfalen) geboren und aufgewachsen in Flandern, Belgien ist ein belgisch-schweizer Maler. Zuerst besuchte er die Kunsthochschule um 'Grafisches Design & Illustration' (Sint Lucas Antwerpen, 1995), danach zog es ihn zur Universität um 'Kunstwissenschaften' (speziell Kunstgeschichte und Kunstphilosophie) zu studieren (Universität Gent, 2000). Seine Diplomarbeit behandelte die Kritik auf die modernen Kunst durch den katholisch-österreichischen Kunsthistorikers Hans Sedlmayr (u.a. Verlust der Mitte, 1948). Dessen Standpunkte nahm er sympathetisch-kritisch unter die Lupe und verglich diese mit den Positionen reformatorischer Kunstphilosophen aus Holland und Amerika. Im Anschluss folgte ein Jahr in Toronto, nämlich am Institute for Christian Studies, um sich in christlich-zeitgenössischer Kunstphilosophie zu vertiefen.
Zurückgekehrt nach Europa, fing für den jungen Kunstmaler in Belgien eine neue Lebensphase an. Anfang Dreißig war es an der Zeit ein Übermaß an verkrampften Perfektionismus loszulassen und neue Wege einzuschlagen. Zum ersten Mal konnte er seinen komplexen, geometrischen Malstil weitgehend hinterfragen und relativieren. Lockerer wollte er werden und eine entspannte Form finden. Bewusst begann er deshalb abwechslungsweise auch spontane und luftige Malereien zu machen. Malereien die nicht notwendigerweise eine Antwort auf irgendeine Frage beinhalten mussten. Das zuviel an jahrelangem Lebensernst und verborgenen Konkurrenzhaltungen wichen ganz allmählich einer ruhenden und genießenden Lebenshaltung. In dieser Zeit findet er einen gesteigerten Sinn im spielenden Malen. Es entstanden einige hundert Miniaturmalereien in Postkartengröße.
Sie gleichen kleinen Edelsteinen, welche in all ihrer visuellen Schlagfertigkeit und raffinierten Farbigkeit allzu unscheinbar, ja täuschend einfach, erscheinen können. Tatsächlich aber, handelt es sich um sorgfältiges visuelles Schmiedwerk, dass Schicht um Schicht und sozusagen durch Zeitdehnung ihre endgültige Form erlangte. Nur ganz langsam und mittels eines langwierigen Filtrierungsprozesses entstehen diesen kleinen Malereien. Wobei die Ausbeute eines Maltages am nächsten Tag oftmals schon wieder übermalt wurde. Ein schmerzhafter Charakterweg also, geprägt vom Scheitern wie vom Neuanfang, vom Wünschen und Sehnen. Allerdings am Ende immerhin ein Pfad voller Empfänglichkeit und Dankbarkeit. Ein Pfad voller Erstaunen über die Geheimnisse des Lebens und ihr gänzlich eigener Schwingungstakt beim Entfalten ebendieser.
Umgekehrt trifft diese eher chaotische Psychologie der Empfänglichkeit auch zu auf den Betrachter jener Bilder. Diese unscheinbaren Arbeiten haben es in sich den ruhenden Betrachter manchmal völlig überraschend zu irritieren. Nämlich dann, wenn uns mit dem Bild unvermittelt eine gänzlich neue Ansicht einsichtig wird, gleich einem „Aha“ Erlebnis. Das kann den Betrachtungswinkel an sich betreffen oder gar eine seelische Selbsteinsicht. Je weniger wir vom gemalten Abstraktbild erwarteten, um so mehr wirft es uns aus der Bahn, wenn solch ein unerwarteter Durchblick uns dann, wie aus dem Nichts, zufällt.
Der Künstler heiratete die deutsche Künstlerin Simone Distler. Zusammen sind sie aufs Land im Osten Deutschlands gezogen, um dort ihre Malateliers in einem geräumigen, ehemaligen Pfarrhaus von 1734 einzurichten, welches sie schrittweise restaurieren und neues Leben einhauchen. Weiterhin malt Gian Merlevede in seiner gewohnten besonnenen Art und schafft neue glühende Malereien voller Erzählkraft und Gottessuche. Weil er sich gleichzeitig und über mehrere Jahren hinweg mit langwierigen Malprojekten beschäftigt, plant er zwischendurch Zeiten ein, in welchen er den Pinsel lockerer führt und das spielende Kind in sich heranlässt. Dann entstehen zumeist weitere Postkartenmalereien. Bedachtsam für die Gezeiten seiner suchende Seele will er empfänglich bleiben für die umherschweifende Geheimnisse Gottes, als sehe er den unsichtbaren Schöpfer selbst.
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